Bericht von Jonathan Granzin über den Besuch des protestantisch theologischen Instituts in Klausenburg Mitte Mai 2024
Siebenbürgen, ein Gebiet mit einer reichen und wechselvollen Geschichte, liegt umgeben von den Karpaten mitten in Rumänien. Es ist geprägt von verschiedenen Ethnien und von verschiedenen Konfessionen. So gibt es dort Ungarn, Siebenbürger Sachsen, Rumänen und Roma u.a. Eine große konfessionelle Vielfalt gibt es dort schon seit der Reformation. Als eines der ersten Länder Europas wird 1568 die Religionsfreiheit in dem Land eingeführt, welche für die lutherische, reformierte, röm.-kath. und unitarische Kirche galt. Die Orthodoxen wurden geduldet.
Mitte Mai machte sich eine kleine Delegation der STH Basel bestehend aus Prof. Sven Grosse, Dr. Gergely Csukás und Stud. Jonathan Granzin auf in die wohl bedeutendste Stadt der Region, nach Klausenburg (rumänisch Cluj-Napoca). Kolozsvár, so der ungarische Name, war und ist eine Stadt der Bildung. Heute ist es nach Bukarest die Stadt mit den meisten Studenten Rumäniens. Ziel unserer Reise war das protestantisch theologische Institut Klausenburgs (https://proteo.hu/hu). Das ist eine sehr besondere Einrichtung.
Zuerst einmal ist sie ungarischsprachig. Das ist weniger besonders, da Klausenburg früher eine mehrheitlich ungarische Stadt war und noch heute in Rumänien etwas über eine Million ethnische Ungarn leben. Das spannende an dem Institut ist, dass es aus Reformierten, Evangelischen (d.h. Lutheranern) und Unitariern besteht. Diese ungewöhnliche Kombination war nicht ursprünglich intendiert. Schon seit dem 17. Jh., der Zeit des großen Fürsten von Siebenbürgen Gábor Bethlen, existiert eine Ausbildungsstätte für Theologen. 1895 wurde die Eröffnung des bis heute bestehenden Gebäudes gefeiert, welches ganz im Stile der Donaumonarchie gebaut wurde. Bis dahin war die Akademie rein reformiert. Dies änderte sich erst 1948 durch die rumänisch-kommunistische Herrschaft. Die Protestanten wurden damals vor die Wahl gestellt: Entweder sie vereinigen sich zu einer Akademie oder alle drei werden geschlossen. Aus der Not entschieden sich die Bischöfe der verschiedenen Konfessionen ein gemeinsames Institut zu gründen. Nach der Wende hat man den Status quo beibehalten, da ein Lehrbetrieb für wieder drei verschiedene Akademien nicht stemmbar gewesen wäre.
Prof. Grosse hielt einen Gastvortrag zu seinem vor zwei Jahren erschienen Sammelband „Brennpunkte der Theologiegeschichte“. In seinem Vortrag zu dem Titel „Die Neuzeit als Spiegelbild des Antiken Christentums“ bestimmte er das Verhältnis der Neuzeit, als geistige Bewegung verstanden, zum Christentum. Er verglich Augustinus, einen der größten Denker des antiken Christentums, mit einigen herausragenden Vertretern des neuzeitlichen Denkens u.a. den Religionsphilosophen Edward Herbert Lord Cherbury, welcher exemplarisch für den neuzeitlichen Deismus steht. Es ging insbesondere um das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung. Augustinus gibt der Offenbarung den Vorrang. Die Vernunft kann nur nachvollziehen oder ggf. präzisieren, was die Offenbarung vorgibt. Cherbury sieht das Verhältnis genau umgekehrt. Die Vernunft gibt vor, was wahr ist. Die Offenbarung kann als sekundäres Element dazu treten, hat sich aber an der Vernunft, den notitiae communes, zu messen. Am Ende seines Vortrags betonte Prof. Grosse, dass es nicht darum gehen dürfe, das Christentum dem neuzeitlichen Denken anzupassen, sondern wie es in der Neuzeit bewahrt werden könnte.
Dr. Csukás ging in einem darauffolgenden Vortrag darauf ein, was der Mittelpunkt der Theologie des Schweizer Reformators Heinrich Bullingers ist. Dieser sei aber schwer zu bestimmen, da er sehr viele verschiedene Werke und Briefe geschrieben hat, aber keine systematische Abhandlung. Laut Csukás kann aber wohl Beziehung als ein Grundelement angesehen werden, da es sich immer wieder findet. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist zentral in Bullingers Theologie.
Neben den inhaltlich sehr lohnenden Vorträgen gab es auch regen Austausch mit den dortigen Professoren und Studenten. Besonders schön waren die abendlichen Gespräche, bei guter Kost und edlen Tropfen im Hause Visky, bei denen viel über Theologie und Politik diskutiert wurden.
Nach drei Tagen ging es wieder zurück nach Basel. Es war ein sehr schöner Besuch bei dem wir viel über die Geschichte und Kultur der Region lernen durften und unsere Beziehungen zu der Partnerhochschule bekräftigen konnten. Wir hoffen bald auch wieder Gäste aus Klausenburg bei uns begrüßen zu dürfen.