Tilmann Geske Memorial Lecture Samuel Van Der Maas 2019 04 11 Sth Basel 3

Vortrag / Seminar Tilmann Geske Memorial Lecture 2019

Lernen aus der Christenverfolgung

Am 11. April 2019 fand an der STH Basel die Tilmann Geske Memorial Lecture statt, eine jährliche Gedenkvorlesung anlässlich des Todestages von STH-Absolvent Tilmann Geske und zwei weiteren türkischen Gläubigen, welche am 18. April 2007 in der Türkei aufgrund ihres Glaubens ermordet wurden. In seinem Vortrag «Doppelbürger in Spannungsfeldern – Kirche in der Auseinandersetzung mit der Marginalisierung. Eine historische und geistliche Perspektive» stellte der Referent Samuel van der Maas, Mitarbeiter des Hilfswerks Open Doors, auf eindrückliche Weise den Zusammenhang zwischen kirchengeschichtlichen Entwicklungen und aktuellen geistlichen Herausforderungen an die Kirche dar.

Fünf globale Verfolgungswellen

Samuel Van Der Maas
Samuel van der Maas

«Die Kirche wurde von Anfang an verfolgt» – Jesus und die Apostel hatten es angekündigt. Dabei lassen sich fünf globale Verfolgungswellen charakterisieren, die über eine Generation hinaus anhielten sowie eine nachhaltige Veränderung der religiösen Landschaft bewirkten. Die erste grosse Verfolgungswelle unter den Römern erlebte ihren unerwarteten Höhepunkt unter Kaiser Decius (250 n. Chr.). Seine Strategie war es, mittels eines imperiumweiten Opfergesetzes Abtrünnige statt Märtyrer zu schaffen. Die dadurch ausgelöste Schwächung der Kirche verursachte indirekt die Ablassproblematik, die ein Grund für die Reformation wurde.

Die Ausbreitung des Islam ab 630 n. Chr. mündete in eine zweite Verfolgungswelle: Durch Besteuerung und Marginalisierung wurden die Christen zu Bürgern zweiter Klasse. Im 13. und 14. Jh. kam es zur mongolischen Verfolgung, die in ihrer Grausamkeit und ihrem Ausmass oft unterbelichtet ist: Mit roher Gewalt wurden etwa 40 Millionen Menschen, ein Zehntel der damaligen Weltbevölkerung, ausgelöscht, das Christentum in Asien und Nordafrika nahezu ausgerottet, welches damit zu einer europäischen Religion wurde. Tragisch ist die Verfolgung von Christen durch die christliche Kirche, welche eine vierte Verfolgungswelle darstellt. Die Marginalisierung der Kirche in der heutigen Gesellschaft findet zum Teil ihre rechtfertigende Wurzel im Rückblick auf die Religionskriege nach der Reformation: Starke religiöse Überzeugungen führen offenbar zu Krieg und Tod – so das Argument.

Als letzte Welle gilt die atheistische Verfolgung ausgehend vom russischen Kommunismus. Die darin u. a. angestrebte Entfremdung der Kirche von der Bildung klappte zwar nicht nachhaltig – sie wird aber in der heutigen Gesellschaft aus anderen Motiven immer weiter realisiert.

Es gibt verschiedene nachweisbare Gründe für den Erfolg mancher Verfolgungen. Der wichtigste darunter ist eine mangelnde Verwurzelung in Sprache und Kultur jeweiliger Gesellschaften. Daraus sollten wir lernen.

Herausforderungen für die Kirche heute

Ausgehend von den Sendschreiben in Offenbarung 2 und 3 – an Gemeinden in der heutigen Türkei gerichtet – leitete der Redner zu Spannungsfeldern für die Kirche über: Es gilt, gegen Anfechtung von aussen und Verfolgung standzuhalten, die geistliche Klarheit zu erhalten und zu vertiefen.

Nach van der Maas wirken Phänomene verwandt an allen fünf Verfolgungswellen in der gegenwärtigen Christenheit nach. Er appellierte daran, bei aller Klarheit im Bekenntnis zum lebendigen und geschriebenen Wort, dennoch keine «Energie zu verschwenden» in der Selbstbeschäftigung auf unfruchtbaren Nebenfronten. Sowohl das Evangelium als auch die Kirchengeschichte enthalten nach van der Maas die warnende Botschaft: «In jedem von uns steckt ein Verfolger».

Christen in Europa erleben schleichend eine Marginalisierung, bei der das Ausleben des Glaubens in verschiedenen Bereichen zunehmend erschwert wird. Staat und Gesellschaft fordern für sich und die moralische Autonomie des Menschen eine Absage an andere Glaubensüberzeugung, besonders in der Ausübung öffentlicher Ämter. Hier gilt es, auch durch politisches und soziales Engagement, die Verwurzelung in der Gesellschaft zu stärken, aber nicht auf Kosten einer geistlichen Verwässerung. Dieses Spannungsfeld bildet die schwierigste Herausforderung. Wo Anfeindungen schmerzhaft sind, dürfen Christen wissen: «Das Feuer tut weh – doch Jesus ist mit mir im Feuerofen». Die Auferstehung von Jesus Christus, dem Haupt der Kirche, garantiert ihre Zukunft. Darum lohnt es sich, den «Kampf» weiterzuführen.

Impressionen der Veranstaltung

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