Am Freitag, 17. April 2015 fand an der STH Basel eine neutestamentliche Studientagung über das Antike Judentum und die neuere Paulusexegese statt. Die Referenten waren Prof. Dr. Günter Stemberger (Universität Wien), Prof. Dr. Jörg Frey (Universität Zürich) und Prof. Dr. Jacob Thiessen (STH Basel).
Der Lohngedanke im rabbinischen Judentum / Ist das rabbinische Judentum eine Gesetzesreligion?
Prof. Dr. Günter Stemberger begann den Studientag mit einem Referat zum Thema «Der Lohngedanke im rabbinischen Judentum», und einem zweiten, das die Frage «Ist das rabbinische Judentum eine Gesetzesreligion?» behandelte. Aus christlicher Sicht werde das rabbinische Judentum fälschlicherweise oft als Gesetzesreligion gesehen. Dies stimme aber nicht ganz, denn es gehe weit darüber hinaus und müsse viel differenzierter betrachtet werden. Stemberger erklärte, dass der «Lohn» im rabbinischen Judentum nicht immer sichtbar sei und nicht anhand von guten Taten oder dem Halten der Gebote berechnet werden könne. Daher setze der Lohngedanke im Judentum ein Vertrauen auf Gott und seine Gerechtigkeit voraus. Zudem werde «Lohn» im jüdischen Konzept auch als Geschenk betrachtet, welches ja keine Handlung voraussetze, oder als Leihgabe von Gott, die dabei aber auch eine gewisse Verantwortung und Verpflichtung mit sich bringe. Zudem meinte Stemberger, dass die Mischna, welche viele jüdischen Gebote und Verbote enthalte, ursprünglich im rabbinischen Judentum nicht ein Religionsgesetz oder Buch der Religionspraxis gewesen sei, sondern vielmehr eine Art utopisches, philosophisches Nachdenken über das Judentum und dessen Begrifflichkeiten. So seien z. B. viele Gesetze zum Tempelkult gar nicht mehr praktisch umsetzbar gewesen, da der Tempel in Jerusalem bei der Abfassung der Mischna schon lange zerstört war. Erst das spätere rabbinische Judentum habe die Mischna zu einem Religionsgesetz gemacht.
Der Jude Paulus und der Nomos
Prof. Dr. Jörg Frey widmete sich danach dem Thema «Der Jude Paulus und der Nomos». Er betonte, dass Paulus, der von seiner Herkunft her ein Diasporajude war und sich zu der pharisäischen Partei zählte, Zeit seines Lebens ein Israelit geblieben sei und auch als Christ die Juden als seine «Brüder nach dem Fleisch» bezeichnet habe (vgl. Röm 9,3). Das Christentum sei zu Beginn ohnehin eine jüdische «Sekte» und keine eigene Religionsbewegung gewesen. Weiter erklärte Frey, dass Paulus nach seiner Bekehrung das Gesetz nicht komplett abgelehnt habe, wie dies in dem etwas polemischen Galaterbrief den Eindruck mache, sondern dass Paulus sich in Freiheit auch weiterhin an das Gesetz halten wollte, wie dies etwa im Römerbrief zum Ausdruck komme, dass er jedoch nicht mehr unter dem Gesetz gestanden sei. Frey ging u. a. auch auf Röm 7,7ff. ein, wonach das Gesetz zwar gut ist, aber kein Leben oder Heil schaffen kann.
Die Rechtfertigung aus Gnade und der Lohngedanke bei Paulus
Im letzten Referat des Tages vom Rektor der STH Basel, Prof. Dr. Jacob Thiessen, ging es um das Thema «Die Rechtfertigung aus Gnade und der Lohngedanke bei Paulus». Thiessen stellte die Frage, wie die Überzeugung, dass die Rechtfertigung allein aus Gnaden, nicht aus Werken geschieht (vgl. Röm 3,20ff.), mit einer «Vergeltung/Belohnung nach den Werken» (vgl. 1. Kor 3,8.13; Röm 2,5f.) zusammenpasst. Dabei betonte er, dass die Gnade im Sinn von «Bundesloyalität» zu verstehen sei. Die «Begnadigten» seien nun «Gerechte» (vgl. Röm 5,19) und hätten somit die Aufgabe, dementsprechend zu leben. Bei Paulus gehe es angesichts der Frage nach dem endzeitlichen «Lohn» vor allem darum, dass er seine Aufgabe treu und mit einem guten Gewissen vor Gott und den Menschen erfülle.
Diese interessante und intellektuell herausfordernde Tagung trägt dazu bei, auf Fragen um die Neue Paulusperspektive in Bezug auf das antike Judentum und die Paulusexegese sachliche Antworten zu finden.