Nachtrag (44 Von 216)

Forschung Die Bedeutung der theologisch-philosophischen Forschung für die «Verteidigung» des Glaubens

Strömungen des Denkens

Im Bereich von Apologetik (Erklärung bzw. Rechtfertigung des christlichen Glaubens und Wahrheitsansprüche) und Philosophie (Wissenschaft, die sich mit Fragen beschäftigt, die den Menschen und die Welt betreffen. Das Wort «Philosophie» kommt aus dem Griechischen und bedeutet in
etwa «Liebe zur Weisheit») besteht Forschung darin, Strömungen des Denkens aus verschiedenen Epochen umsichtig und zugleich kritisch aufzunehmen und mit dem Zeugnis der Heiligen Schrift und den Bekenntnissen des christlichen Glaubens zu vergleichen. Teilweise wird man dabei – schon in
der Zeit der Alten Kirche – auf erstaun-liche Konvergenzen zwischen Denken und Offenbarung stossen. Teilweise wird man auf gravierende Abweichungen treffen, mit denen Paulus schon in seiner Auseinandersetzung mit den Sophisten und anderen Philosophen- und Religionsschulen konfrontiert war.
Die Sophistik, eine über viele Jahrhunderte von den Vorläufern des Sokrates bis in die späte hellenistische Zeit sich erstreckende Strömung, sprach davon, dass der Mensch das Mass aller Dinge sei und dass jeder darüber entscheide, was Wahrheit sei. Auch dies ist eine Einstellung, die bis in die heutigen Strömungen der Postmoderne begegnet.

Eine genaue Kenntnis der Philosophie und eine Kenntnis der Ideologien und Denkströmungen ist unerlässlich, um zu zeigen, wie sich der christliche Glaube zum Denken der Welt verhält. Philosophiegeschichte ist das unerlässliche Gegenüber zum philosophischen Denken: Philosophie und Theologie haben sich stets in Korrespondenz, mitunter auch in Konfrontation entwickelt. Dazu ist gründliches Quellenstudium möglichst der originalen Texte der Überlieferung und logisch-systematisches Durchdenken gleichermassen erforderlich. Apologetik positioniert sich in der modernen Welt auch gegenüber Wissenschaften und ihrer Weltsicht, die oftmals einen materialistisch-agnostischen Zugriff auf die Welt wählen.

Vorurteile

Von grosser Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Wissenschafts- und Erkenntnistheorie. Man kann nur erkennen, was die Brille, durch die man wahrnimmt, auch sehen lässt: Vorurteilsfreie Wahrheitserkenntnis gibt es nicht. Aber es ist möglich und notwendig, die Vorurteile, die eine bestimmte Wissenschaft nahelegt, zu durchschauen und dadurch tiefer in die Wahrheitserkenntnis zu kommen.

Der erste Schluck aus dem Glas der Wissenschaften führt zum Atheismus, doch am Grunde zeigt sich Gott.

Max Planck

Ebenso hat die Apologetik die Möglichkeit und die Aufgabe, die Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Vernunft zu zeigen. Der christliche Glaube unterbietet diese Vernunft niemals. Er nimmt sie auf und geht über sie hinaus bis in den Bereich, an dem Christus als der sichtbar wird, in dem alle Schätze der Weisheit verborgen liegen (Kol 2,3).

Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts

In meinem jüngsten Buch «Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts» untersuche ich die Denkentwicklung des letzten Jahrhunderts vom Ende des deutschen Idealismus bis in die Gegenwart aus
dieser Perspektive. Dabei wird deutlich, dass der Weg der Philosophie der Mo-derne keineswegs nur in eine Richtung ging. Sie bewegte sich nicht nur auf Säkularisierung und «Entzauberung der Welt» hin. Zunehmend meldete sich auch die Frage nach Gott wieder. Ähnliches kann man an den Naturwissenschaften erkennen. Mit den Worten des grossen Physikers Max Planck: Der erste Schluck aus dem Glas der Wissenschaften führt zum Atheismus, doch am Grunde zeigt sich Gott.

Harald Seubert Philosophiegeschichte Des 20 Jahrhunderts

Harald Seubert
Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts
Das Strahlen im Zeichen triumphalen Unheils

Baden-Baden, ACADEMIA, 2021
499 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-89665-928-6
Euro 98.00/CHF 121.50

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Prof. Dr. Harald Seubert
Fachbereichsleiter für Philosophie, Religions- und Missionswissenschaften

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