Die universitäre Theologie der STH Basel
Die STH Basel ist eine Stätte wissenschaftlicher Forschung und Lehre im Bereich der evangelischen Theologie. Unser Anliegen ist, dass die biblische Grundlage für den Bau der Gemeinde Jesu beachtet und erhalten bleibt. Warum ist die biblische Grundlage für den Gemeindebau entscheidend und was bedeutet das in Bezug auf das universitäre Theologiestudium an der STH Basel? Unsere Fachbereichsleiter haben sich diesem Thema gewidmet. Bis August 2020 wurden aus allen sechs Fachbereichen Aufsätze veröffentlicht.
- Altes Testament (August 2019)
- Neues Testament (November 2019)
- Historische Theologie (Febuar 2020)
- Systematische Theologie (April 2020)
- Praktische Theologie (Juni 2020)
- Philosophie, Religions- und Missionswissenschaft (August 2020)
Altes Testament
Gedanken aus gesamttheologischer und alttestamentlicher Perspektive
Treue zu der einen Bibel
Ass.-Prof. Dr. Benjamin Kilchör
Fachbereichsleiter für Altes Testament
Neues Testament
Eine biblisch-neutestamentliche
Verpflichtung und ihre Auswirkungen
Paulus fordert in 2 Tim 2,15 seinen langjährigen Schüler und Mitarbeiter vor seiner Hinrichtung auf, sich dadurch vor Gott bewährt zu erweisen, dass er «das Wort der Wahrheit in gerader Richtung schneidet», um sich somit «bewährt darzustellen»1. Diese Verantwortung gegenüber dem Wort Gottes im Lehrauftrag für die christliche Gemeinde wird in den Timotheusbriefen besonders stark betont, und das (nicht nur) angesichts der Gefahr der Verführung durch falsche Lehren. Die «gesunde» bzw. gesundmachende Lehre,2 welche im «zuverlässigen Wort» Gottes begründet ist,3 soll weitergegeben werden. Denn nur dadurch kann es zu einem «gesunden Glauben» kommen,4 welcher eine Auswirkung auf die ganze Persönlichkeit haben wird.
Im Folgenden liegt der Schwerpunkt nicht darauf, die Zuverlässigkeit dieses Wortes Gottes zu verteidigen.5 Es soll vielmehr dargelegt werden, warum es auch heute noch von zentraler Bedeutung ist, dass die Bibel in den christlichen Gemeinden in ihrer Breite und Tiefe verkündigt und gelernt wird, wobei das Selbstzeugnis der Bibel in Bezug auf ihre Zuverlässigkeit in jeder Hinsicht grundlegend ist. Petrus erwähnt in Bezug auf die Briefe «unseres geliebten Bruders Paulus», dass «die Unwissenden und Unbefestigten» diese «wie auch die übrigen Schriften verdrehen», und sie tun das «zu ihrem eigenen Verderben» (2 Petr 3,16). Wenn wir Gottes Wort einseitig bzw. abwegig verkündigen, so rauben wir uns selbst den Reichtum, den Gott uns schenken möchte. Zudem soll es im Folgenden auch darum gehen zu zeigen, welchen Beitrag die biblische (neutestamentliche) Exegese leisten sollte.
Die Wahrheit des Wortes Gottes besitzen wir (auch als Verkündiger) nicht einfach; wir dürfen und sollten ständig im Wort Gottes, der Bibel, forschen und graben, um «aus dem Schatz» fortwährend «Neues und Altes» hervorzubringen (Mt 13,52). Das ist nicht nur für die «Liberalen» eine Herausforderung, sondern auch für die «Konservativen», da der Massstab für das, was richtig und nicht richtig ist, nicht in uns liegen kann. Vor allem geht es darum, dass wir auch als Verkündiger des Wortes Gottes in dem wandeln, was Gott «zuvor bereitet hat» (Eph 2,10). Nur dadurch, dass dieses Wort Gottes immer wieder neu auf den Leuchter gestellt wird, kann die Gemeinde Jesu weiterhin ein Licht für die Menschheit sein. Das setzt aber eine demütige selbstkritische Haltung voraus, welche wir uns stets neu schenken lassen sollten.
Aus der biblischen Fülle verkündigen
Prof. Dr. Jacob Thiessen
Fachbereichsleiter für Neues Testament
Historische Theologie
Kirchengeschichte als Auslegungsgeschichte der Heiligen Schrift
Die Treue zum Wort Gottes ist im Lauf der Geschichte zu bewähren. Wenn Christen verstehen, welche Bewährungsprobe es gab, was gläubige Menschen gelernt haben im Laufe der Zeit und im Bestehen von Bewährungsproben, aber auch, wenn sie sehen, wie solche Proben nicht bestanden wurden, wie gläubige Menschen in die Irre gingen oder sogar den Glauben verloren – dann lernen sie für ihren eigenen Glauben und ihr eigenes Leben.
Um dieses Verstehen und Lernen geht es in der sogenannten Historischen Theologie, die man auch Kirchengeschichte nennt. Dieses Fach hat mit allen anderen Fächern der Theologie zu tun: mit dem Studium der Bibel des Alten und des Neuen Testaments, mit der Praktischen Theologie, der Missionswissenschaft, der aus Dogmatik und Ethik bestehenden Systematischen Theologie und mit der Philosophie, die, so wie rechte Philosophie sein soll, auf die Theologie bezogen werden muß. In all diesen Fächern geht es um Bewährung der Treue zu Gottes Wort.
Überall, wo solche Bewährungsproben in der Vergangenheit stattgefunden haben, hat man mit Historie zu tun. Gegenwärtige Theologen können daraus lernen und so treiben sie dann Historische Theologie. Die Historische Theologie ist sozusagen ein Querschnittsfach, das durch alle anderen Fächer hindurch geht. Man kann von den Auslegern früherer Zeiten lernen, wie das Alte und das Neue Testament zu verstehen ist; man kann seinen Verstand für die Systematische Theologie schärfen durch das Studium der Meister systematisch-theologischen Denkens, man kann sehen, wie zum Beispiel in der Reformation Gemeindeaufbau stattfand und daraus für die Praktische Theologie lernen.
Treue zur Bibel im Laufe
der Geschichte
Prof. Dr. Sven Grosse
Fachbereichsleiter für Historische Theologie
Systematische Theologie
Das Studienziel ist der Erwerb eigener Urteilsfähigkeit in Fragen der christlichen Lehre und des christlichen Lebens
Die Systematische Theologie bündelt wie keine andere theologische Disziplin die Überlegungen und Ergebnisse der anderen theologischen Fachbereiche und befindet sich daher im permanenten Dialog mit diesen. Darüber hinaus befindet sie sich im Gespräch mit der ganzen Bandbreite zeitgenössischer weltanschaulicher Positionen und versucht, christliche Antworten auf die Fragen der Gegenwart zu geben. Damit trägt die Systematische Theologie die Ergebnisse der christlichen Theologie in die gegenwärtige Gesellschaft hinein und ist immer wieder aufgefordert, in gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskursen eine Richtung vorzugeben.
Im Kontext der anderen theologischen Fächer fasst die Systematische Theologie die Resultate der exegetischen Fächer zusammen (Altes und Neues Testament), knüpft an die Deutung der Denk- und Lebensgeschichte des Christentums durch die Theologie- und Kirchengeschichte an (Kirchengeschichte) und kommt unter Berücksichtigung der kirchlichen Situation (Praktische Theologie) und im Gespräch mit Philosophie, Humanwissenschaften und Religionswissenschaft (Philosophie, Religions- und Missionswissenschaft) zu einer Darlegung des christlichen Glaubens heute. Diese Positionierung macht den besonderen Reiz des Faches aus und ist gleichzeitig dessen grösste Herausforderung.
Voraussetzungen, Inhalt und Konsequenzen des christlichen Glaubens
Prof. Dr. Johannes Schwanke
Fachbereichsleiter für Systematische Theologie
Praktische Theologie
Die Bibel als Quelle des kirchlichen Lebens
Die Kirche lebt aus den Worten der Heiligen Schrift. Die Bibel erzählt die grosse Geschichte Gottes mit dieser Welt und nimmt die christliche Gemeinde mit in diese Geschichte hinein; sie prägt so das Leben und die Lehre der Kirche, sie bestimmt den Inhalt des Predigens und Betens, sie gibt der Kirche Hoffnung und Perspektive. Die Gemeinde ohne Bibel wäre wie ein Staat ohne Verfassung, wie ein Spiel ohne Spielregeln, wie ein Theaterstück ohne Skript, wie ein Familientreffen, bei dem es nichts zu erzählen gibt. Mit der Bibel aber ist der Kirche ein Schatz von unermesslichem Wert anvertraut. Es gehört zu den zentralen Aufgaben der Praktischen Theologie, diesen Schatz zu entdecken und dessen Potential für das Leben der Kirche fruchtbar zu machen.
Bevor wir uns den einzelnen kirchlichen Handlungsfeldern zuwenden (siehe unter 2.), gilt es jedoch zu bedenken: Es ist kein Automatismus, dass die Bibel Quelle des Lebens ist. Sinnvolle Spielregeln führen nicht automatisch zu einem guten Spiel, und das beste Skript alleine garantiert noch keinen inspirierenden Theaterabend. Die Spielregeln müssen beachtet, das Skript muss stimmig inszeniert werden. Ähnliches gilt für die Bibel. Es ist eine bestimmte Haltung zu ihr und ein bestimmter Umgang mit ihr erforderlich, damit die Bibel ihre Wirkung als Quelle des Lebens entfalten kann. Das soll anhand dreier Jesus-Worte verdeutlicht werden.
Die Bibel – eine Kraft,
die durch nichts ersetzt
werden kann.
Prof. Dr. Stefan Schweyer
Fachbereichsleiter für Praktische Theologie
Philosophie, Religions- und Missionswissenschaft
Die Perspektive von Philosophie, Religions und Missionswissenschaft
Als Samuel Külling im Jahr 1966 unter der Überschrift «Das Übel an der Wurzel fassen» das Programm der späteren FETA und heutigen STH Basel formulierte, hatte er langfristige theologische und ideengeschichtliche Tendenzen vor Augen, die bis in die Gegenwart weiterwirken und das Verständnis der Heiligen Schrift beeinflussen. Er unterschied dabei eine «extrem kritische Strömung» in Theologie und Kirche seit der Aufklärung, mit der Bultmann-Schule und ihrem Entmythologisierungsprogramm an der Spitze, von einer «gemässigt kritischen Richtung», die bis weit in den Pietismus hineinreichte.1 Die Gegenkonzeption Küllings war eine eigenständige theologische Fakultät, die auf der Grundlage der Anerkenntnis der Heiligen Schrift auf akademischem Niveau arbeiten sollte. Voraussetzung dafür sei, dass sie hinreichend mit Mitteln ausgestattet sei.
Durch die Akkreditierung 2014 und nachfolgende Schritte ist die STH Basel in der institutionellen Anerkennung und ihrer Ausstattung mittlerweile weit gekommen. Die biblische Orientierung aber ist und bleibt die Mitte der Hochschule – in allen Fachbereichen. Es ist das Spezifische der STH Basel zu zeigen, dass höchstes wissenschaftliches Niveau mit der Fundiertheit auf der Heiligen Schrift zusammengehen können und sollen.
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An zentraler Stelle berührt sich diese Einsicht mit dem Erbe der reformatorischen Theologie. Die Heilige Schrift ist eben nicht nur ein Erkenntnisgegenstand. Sie ist vielmehr die Erkenntnisgrundlage der Theologie. Das Prinzip sola scriptura bindet alle theologischen Aussagen, auch alle Vernunftaussagen über Gott, an das lebendige Wort Gottes, in dem er sich offenbart hat und durch das er am Menschen handelt. Die Orientierung an Wahrheit und Klarheit der Heiligen Schrift ist für die Arbeit der STH Basel grundlegend, und zwar für die Arbeit in allen Fachbereichen. Das gilt auch für den Fachbereich, den ich leite. Er umfasst ein faszinierend weites Feld: Philosophie, Religions- und Missionswissenschaften, dazu die klassische Apologetik – die christliche Auseinandersetzung mit anderen Weltbildern und Weltanschauungen. Es ist gleichsam der Fachbereich der Aussenbeziehungen, in dem das Verhältnis der Theologie zu den sie umgebenden Disziplinen, den intellektuellen, ideologischen und religiösen Strömungen, in Forschung und Lehre untersucht wird.
Die Prämissen der historischen Schriftkritik, der die akademische Theologie bis heute weitgehend folgt – oft ohne sich dessen noch bewusst zu sein –, ist durch eine grundsätzliche ideengeschichtliche Weichenstellung eingeleitet worden. Ein Hauptstrom der Theologie meinte, angesichts der Anfragen der Moderne und des wissenschaftlichen Weltbildes seit dem 18. Jahrhundert, eine Kernessenz des christlichen Glaubens nur so retten zu können, dass die Aussagen der Heiligen Schrift symbolisch und nicht mehr wörtlich genommen werden.2 Ihr Zeugnis wird als Beleg und zur Illustration für eine allgemeine Religion der Vernunft herangezogen. Die Schrift selbst aber hat, wie man exemplarisch in Schleiermachers Umformung der zentralen dogmatischen Lehrstücke sehen kann, nicht mehr die bindende Autorität: Weder als Bezeugung realer Geschichte noch als Fundament des Glaubens. Die Realität des Glaubens verliert sich in die Abstraktion des «Gefühls». Damit wird ein grundlegender «Subjektwechsel» eingeleitet: Von der Autorität des Wortes Gottes und seiner Offenbarung verschiebt sich der Inhalt der Theologie auf die menschliche Subjektivität, namentlich ein Gottesbewusstsein. Jesus Christus wird damit nicht als wahrer Mensch und wahrer Gott erkannt, sondern auf einen exemplarischen Menschen reduziert, der dieses Gottesbewusstsein in besonderer Weise gehabt habe.
Viele der Exponenten dieser kritischen Theologie haben bekanntlich ihr Projekt als apologetisch missverstanden. Von der verbindlichen Treue zum Wort Gottes her ist zu sagen, dass eine solche Apologetik den Kern christlichen Glaubens verliert. Es ist gerade nicht der «Problemdruck» der Moderne, der es angeraten sein lässt, den Schleiermacherschen und damit den historisch- kritischen Weg zu wählen.3 Das Zentrum christlichen Glaubens wird man vielmehr nur zurückgewinnen und bewahren können, wenn man sich entschieden auf den Offenbarungscharakter des Wortes Gottes stellt, wenn man auf Schrift und Bekenntnis begründet, die Strömungen der wechselnden modernen Zeitgeister aufnehmen und ihnen klug Paroli bieten kann.
In dem von mir vertretenen Fachbereich «Philosophie, Religions- und Missionswissenschaft » an der STH Basel ist es dabei besonders wichtig, im Sinn einer Scheidung und Unterscheidung der Geister den Offenbarungscharakter und die Wirksamkeit des Wortes Gottes im Gespräch mit den grossen Traditionen der Vernunft und in Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen und weltanschaulichen Tendenzen und den unterschiedlichen Strömungen der Zeit als Grundlage zu erkennen und zur Geltung zu bringen.
Ausgangspunkt und Überzeugung in meiner wissenschaftlichen Arbeit in Lehre und Forschung ist daher das Bekenntnis zum Verständnis der Heiligen Schrift als des wahren Wortes Gottes. Es kommt darauf an, die Heilige Schrift aus ihrer Mitte und im Glauben zu lesen und zu erkennen. Dies war in der frühen Christenheit und in den Kirchen der Reformation gleichermassen unstrittig. Es wird für die Erneuerung von Theologie und Gemeinde von essentiellem und vitalem Interesse sein, dass diese Überzeugung nicht nur behauptet, sondern exegetisch und systematisch begründet wird. Die Mitte wird man dabei im Christuszeugnis der ganzen Heiligen Schrift finden, wie es sich insbesondere im Doppelgebot der Liebe manifestiert. Dieses Schriftverständnis ist dabei von der reformatorischen Theologie geleitet. Das Solus Christus, das Bekenntnis also, dass von Christus allein das Heil ausgeht und kein anderer Name ist, der zum Heil führt (Apg 4, 12), leitet Lehren und Forschen.
Von dieser Mitte ist gerade auch in dem Fachbereich auszugehen, der es mit dem Erbe der Philosophie, der Weltreligionen und der Auseinandersetzung mit den ideologischen und weltanschaulichen Strömungen der Zeit zu tun hat. Ebenso versteht es sich, dass das Verständnis der Heiligen Schrift als Gottes Wort die Mitte der Sendung und der Reflexionen über die Mission ist.
Bibel und Vernunft
Prof. Dr. Harald Seubert
Fachbereichsleiter für Philosophie, Religions- und Missionswissenschaft