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Studienreise Jordanien – Ein Bericht der Studienreise

Von Daniel Roth, Master-Student der STH Basel

Als die erstmalige Studienreise der STH Basel nach Jordanien angekündigt wurde, mischte sich bei mir Neugierde mit der Frage, welche weitreichende Bedeutung Jordanien für das Verständnis der Bibel haben könnte. Klar, die Israeliten waren bei ihrer Wüstenwanderung durch das Gebiet des heutigen Jordanien gezogen. Aber was wäre heute noch zu sehen, sodass sich beim Bibellesen Eindrücke und Erlebnisse in Erinnerung rufen würden, sodass das Bibelwort noch lebendiger wird? Schliesslich macht doch genau das die bereits angebotenen Studienreisen der STH Basel nach Israel, Griechenland, Rom und Kleinasien aus. Wir waren uns sicher, dass wir unter der kompetenten Leitung der Reise durch Prof. Dr. Jacob Thiessen (Neues Testament) und Prof. Dr. Benjamin Kilchör (Altes Testament) fachkundige Antworten auf diese Fragen finden würden.

Wir waren also gespannt, wenn auch etwas müde, als wir uns morgens um 5 Uhr am Flughafen in Zürich einfanden. Über Wien ging es nach Amman, wo wir – entsprechend arabischem Zeitverständnis – erst einmal auf die Visa warteten. Mit de Visa im Pass konnte die Reise mit ein paar Informationen zu Jordanien durch unseren Reiseleiter beginnen. So sind die Mehrzahl der Einwohnerinnen und Einwohner sunnitische Muslime, wobei es eine Minderheit von 6 % griechisch-orthodoxen Christinnen und Christen gibt. Die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner des Landes leben dabei in der Hauptstadt Amman. Das Land Jordanien besteht zu 81 % aus Wüste und besitzt nur 9 % fruchtbaren Boden. Entsprechend herausfordernd ist die Wasserknappheit für das Land. Für Mitteleuropäerinnen und Mitteleuropäer ähnlich unvorstellbar ist das Nichtvorhandensein einer Kranken- oder Sozialversicherung, das Existieren von nur zwei Kinos im ganzen Land oder dass das Motorradfahren 35 Jahre lang verboten war.

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Nach diesem Exkurs in die Gegenwart Jordaniens verschafften wir uns zunächst einen Überblick über die Geografie des Landes sowie über die vier Völker, welche zur alttestamentlichen Zeit auf dem Gebiet des Landes lebten: Am Jordan entlang südlich der Golan-Höhen, welche meist zum Gebiet der Aramäer gehörten, lebten zweieinhalb Stämme des Volkes Israel im Land Gilead (abgeleitet von Gal-Ed = «Zeugen-Steinhaufen»; vgl. 1. Mose 31,48), das auch «Ostjordanland» genannt wird. Östlich davon lag das Reich der Ammoniter, deren Hauptstadt Rabba besondere Bekanntheit durch den Tod des Feldherrn Uria erlangte und welche auf dem Gebiet der heutigen jordanischen Hauptstadt Amman lag. Sowohl die Ammoniter als auch die südlich von Gilead lebenden Moabiter stammten von den beiden Töchtern Lots ab (vgl. 1. Mose 19,30-39). Eine Besonderheit in der alttestamentlichen Beurteilung bildet Edom, das als Brudervolk Israels bezeichnet wird, da es von Jakobs Bruder Esau abstammt. «Edom» bedeutet dabei «Röte», was sich jedoch nicht vom rötlichen Sand ableitet, den man in dessen Gebiet südlich von Moab, u. a. im eindrücklichen Wadi Rum (eine perfekte Mars-Filmkulisse), vorfindet. Ebenso wenig leitet sich der Name von Esaus rötlichem Haar ab. Es ist das «Rote», das bekannte Linsengericht, welches dem Volk den Namen verleiht. Im Namen steckt somit die fortwährende Erinnerung an das Ereignis, bei dem Esau sein Erstgeburtsrecht abgegeben hat.

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Auf unserer Reiseroute lagen zwei besondere Aussichtspunkte am westlichen Ende der jordanischen Hochebene, bevor das Gelände in den Jordangraben abfällt: Die Stadt Gadara war das Zentrum der sogenannten «Dekapolis», d. h. des Zehnstädtebundes im Neuen Testament. Ihr Umfeld war die Stätte der Heilung eines Besessenen, von dem aus die Dämonen in die Schweine fuhren (vgl. Matthäus 8,28-34; Markus 5,1-20; Lukas 8,26-39 – die Textvariante «Land der Gerasener», die in allen drei Evangelien neben «Land der Gadarener» erscheint, geht wohl auf Verwechselung der Abschreiber mit der später wichtigeren Stadt Gerasa zurück) sowie der Speisung der Viertausend (vgl. Matthäus 15,32-38) und bot Aussicht auf die Golan-Höhen, das Hermon-Gebirge im Hintergrund, den See Genezareth sowie das galiläische Bergland. Das Panorama am Berg Nebo weiter südlich nahe des Nordostufers des Toten Meeres führte unsere Blicke wie Moses Blick über das Land Gilead, über die Stammesgebiete nördlich von Jerusalem sowie über das judäische Bergland, das Tote Meer, die Stadt Jericho und den «Kreis am Jordan» (vgl. 5. Mose 34,1-3), in welchem die zerstörten Städte Sodom und Gomorrha vermutet werden und wo Johannes der Täufer wirkte und Jesus taufte. Es war eindrücklich, nun auf dieser Seite des Jordan zu stehen und sich nicht mehr vorstellen zu müssen, was Mose kurz vor seinem Tod wohl gesehen hat. Weitere Orte, die auf unserer Route lagen, waren der Grenzbach Jabbok, bekannt aus 1. Mose 32, welcher heutzutage industriell genutzt wird, sowie die imposante im Südosten von Gadara gelegene Stadt Gerasa mit ihren grossflächigen Ausgrabungen, welche jedoch wohl nicht im Neuen Testament vorkommt.

Ein Ort, der zwar nicht im Neuen Testament genannt wird, welcher jedoch zur Kulisse eines bekannten Ereignisses wurde, ist die von Herodes dem Grossen (welcher als Idumäer von den Edomitern abstammte) erbaute Festung Machaerus östlich des Toten Meeres, wo Johannes der Täufer laut Josephus Flavius gefangen gehalten und enthauptet wurde. Kurz nach unserer Besichtigung fuhr der jordanische König mit viel Polizeischutz vor, weshalb die Toiletten an diesem Tag laut unserem jordanischen Reiseleiter besonders sauber gewesen sein sollen. Waren wir an der Festung noch rechtzeitig gewesen, hatten wir beim Jordanischen Museum in Amman weniger Glück: Dieses wurde während des Besuchs des Onkels des Königs für die Öffentlichkeit gesperrt. Als wir nach einer ungeplanten Stadtrundfahrt schliesslich doch ins Museum durften, staunten wir über die archäologischen Zeugnisse aus der Umwelt des Alten Testaments: Darunter ist eine Kopie der Mescha-Stele, welche im moabitischen Gebiet gefunden wurde und die ungefähr aus dem Jahr 840 v. Chr. stammt. Sie bezeugt die Befreiung Moabs von der Tributpflicht durch das Nordreich Israel (vgl. 2. Könige 3) sowie die Existenz eines «Hauses David». Ein paar Räume weiter ist die originale «Bileam-Inschrift» ausgestellt, welche ausserbiblisch den Seher Bileam, den Sohn Beors, erwähnt (vgl. 4. Mose 22,5). Weitere Höhepunkte der Ausstellung bilden die in Qumran gefunden Kupferrollen über einen grossen Schatz, der entgegen den Erwartungen unseres Professors für Altes Testament bisher nicht für einen Indiana Jones-Film genutzt wurde.

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Als Filmkulisse für Indiana Jones wurde dagegen die imposante Felsenstadt Petra genutzt, welche in der neutestamentlichen Zeit als Hauptstadt des Nabatäerreichs diente und die den stärksten Touristenmagnet Jordaniens darstellt. Natürlich lag auch Petra auf unserer Reiseroute, obwohl die Stadt nicht im Neuen Testament genannt wird. Allerdings gibt es die Vermutung, dass Paulus während seines Aufenthalts in «Arabien» (vgl. Galater 1,17) auch in Petra gewesen sein könnte. Beweisen kann man dies jedoch nicht. Wer das Tal der Könige in Ägypten mit seiner Hitze kennt, erahnt, welchen Segen ein grossflächig bedeckter Himmel für uns bedeutete: So konnten wir die eindrücklichen in den Fels gehauenen Fassaden mit kühlem Kopf bestaunen und ausgiebig fotografieren. Auch der Aufstieg zum Kloster lohnte sich auf jeden Fall. Es steht ausser Frage, weshalb Petra zu jeder Jordanienreise gehört. Eine Jeeptour im Wadi Rum und landschaftlich spektakuläre Busfahrten mit abenteuerlichen Steigungen sorgten zudem dafür, dass der Erlebnisfaktor nicht zu kurz kam.

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Mit einigen neuen Eindrücken, reichhaltigen Bildern und Erinnerungen im Gepäck ging es nach acht intensiven Tagen schliesslich von Aqaba aus über Amman wieder zurück nach Zürich. Und ich merke: Es ist schade, dass jeder Reisebericht nur Stückwerk bleiben kann. Wieso wird neben der Speisung der 5000 auch eine Speisung der 4000 mit unterschiedlicher Restezahl an Körben überliefert? Wie ist das Verhältnis Jordaniens zu Israel und den weiteren umliegenden Ländern, zum Westen und zu ihrem eigenen Königtum? Welche Rolle spielt der landeseigene Geheimdienst? Wie schmecken die landestypischen Gerichte? All das kann in ein paar Sätzen kaum gesagt werden. Aber man kann es direkt vor Ort erfahren. Zum Beispiel auf der nächsten Studienreise nach Jordanien, die hoffentlich bald wieder stattfinden wird.

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Einige weitere Eindrücke

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